Von Ohnefällen und Mitfällen

Nachdem kürzlich ein Treffen der Bürgerinitiative und der NAH.SH bzw. der Firma Intraplan stattfand, stellen sich uns eine ganze Reihe neuer Fragen, insbesondere zum sogenannten Ohnefall.

Der Ohnefall soll auf Basis des IST-Stands die Entwicklung zu einem bestimmten Termin bewerten, um diesen dann mit dem sogenannten Mitfall, also der Realisierung der geplanten Maßnahmen, vergleichen zu können. Das Ergebnis dieses Vergleichs ist wesentlicher Bestandteil der standardisierten Bewertung.

Im Projekt „S21 – Verlängerung  und Elektrifizierung bis Kaltenkirchen“ entspricht der Ohnefall dem Erhalt der Linie A1 auf der Strecke Kaltenkirchen nach Eidelstedt im Jahr 2025.
Der Mitfall geht dann hingegen davon aus, dass, ebenfalls im Jahr 2025, die S21 die Strecke von Eidelstedt bis Kaltenkirchen übernimmt.

So weit, so einfach, mag man glauben. Doch ganz so leicht ist es dann doch nicht, da es natürlich eine ganze Reihe zusätzlicher Faktoren gibt, die in beiden Fällen berücksichtigt werden müssen. Beispiele dafür sind Veränderungen an der Zugtaktung oder den Haltestellen entlang der Strecke.

Dass alle wichtigen Faktoren berücksichtigt werden, ist entscheidend. Denn es gilt: Je schlechter der Ohnefall, desto positiver das Ergebnis im Mitfall.

Anhand dreier interessanter Punkte wollen wir detaillierter darauf eingehen:

Neue Haltestelle – Schnelsen Süd

Auf der Strecke Eidelstedt-Kaltenkirchen wird mit Projektrealisierung die neue Haltestelle Schnelsen Süd gebaut. Doch diese wird bereits im Ohnefall berücksichtigt, obwohl die NAH.SH auf Ihrer Seite ausführt:

„Eine Station Schnelsen Süd kann aus fahrplantechnischen Gründen nicht von der AKN-Linie A1 bedient werden: Die Umlaufzeiten können mit diesem zusätzlichen Halt bei der zurzeit noch vorhandenen Eingleisigkeit nicht gehalten werden. Daher wird erst mit der Entscheidung zur Realisierung des Projekts (wahrscheinlich im Jahr 2018) eine Entscheidung hinsichtlich des Haltepunkts Schnelsen Süd getroffen.“ [Quelle]

Im Ergebnis führt dies bereits im Ohnefall zu einer Verlängerung der Fahrzeit von etwa 3 ½ Minuten. Dadurch verschiebt sich die Ankunft in Eidelstedt und man hat nicht länger den direkten Anschluss an die S3, sondern an die S21. Für Umsteiger in die S3 beträgt dadurch die Wartezeit etwa 7 Minuten. Aber wie gesagt, dieses Szenario wird so nie kommen. In der Realität beträgt die Wartezeit auf die S3 daher nur 2 Minuten.

Für den Mitfall hat dies dann allerdings den positiven Effekt, dass die dadurch generierte schlechte Umsteigesituation in die S3 kompensiert, ja sogar verbessert wird, da dann statt angeblichen 7 Minuten „nur“ etwa 5 Minuten auf den Anschluss gewartet werden muss. Durch diesen Trick wird also aus einer Wartezeitverschlechterung von real 3 Minuten eine Verbesserung von 4 Minuten.

Altona Nord

Doch damit nicht genug! Aktuell ist ein weiteres Projekt in der Planfeststellung, welches Auswirkungen auf die Verlängerung der S21 hat. Dabei handelt es sich um das Projekt zur Verlegung des Fernbahnhofs Altona zum Bahnhof Diebsteich, der dann Altona Nord heißen soll.

Der neue Bahnhof wird einen Umstieg in verschiedene andere Linien (S21, S3, S2/S4) und überregionale Züge anbieten, überdacht sein sowie WCs und möglicherweise Einkaufsmöglichkeiten beinhalten. Damit wird eine wesentlich bessere Umsteigesituation und Wartezeitatmosphäre erzeugt, als es beim Bahnhof Eidelstedt der Fall ist. Es erscheint uns daher nur logisch, dass in diesem Zusammenhang eine Durchfahrt der AKN bis Altona Nord auch im Ohnefall angestrebt und dies in eben jenem Ohnefall berücksichtigt werden sollte. Der Ohnefall geht allerdings davon aus, dass die Durchbindung der AKN bis Altona Nord nicht vorgesehen ist. Doch warum?

Die AKN hätte bei Erstellung der standardisierten Bewertung eine Durchbindung anmelden müssen. Also zu einem Zeitpunkt, wo Altona Nord kaum mehr als ein Gedankenspiel war. Da dies nicht geschah wird für die standardisierte Bewertung davon ausgegangen, dass die AKN eine Verlängerung der A1 bis Altona Nord ausschließt. Dabei ist kaum davon auszugehen, dass man sich diese Möglichkeit entgehen lassen würde und die AKN weiterhin in Eidelstedt endet, wenn Altona Nord Realität wird.

Takterhöhungen

Die Projektverantwortlichen werben ganz offensiv damit, dass mit Umsetzung des Projekts, der Takt verändert wird. Sonntags wird der Takt verdoppelt und nachts soll die S-Bahn häufiger fahren. Klingt gut, aber das könnte problemlos auch die AKN leisten, wenn es denn gewollt wäre.

Allerdings werden diese Takterhöhungen weder im Ohne- noch im Mitfall berücksichtigt, obwohl sie durchaus erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit haben können. Sowohl im Positiven (Fahrgäste) als auch im Negativen (Personalkosten, Betriebskosten). Demnach wäre es geboten, dass auch dies in der Standardisierten Bewertung Berücksichtigung findet.

Schlussfolgerung

Es liegen im Ergebnis also 3 Faktoren vor, die das Projekt beeinflussen. Daher drängen sich uns die Fragen auf:

  • Warum taucht Schnelsen Süd im Ohnefall auf?
  • Warum findet Altona Nord keinerlei Berücksichtigung?
  • Warum wird mit Takterhöhungen geworben, die nirgends berücksichtigt werden?

Das Gespräch mit Vertretern der NAH.SH und der Firma Intraplan brachte in diesem Zusammenhang keine wirklichen Erkenntnisse. Der Verdacht liegt nahe, dass die Projektbeurteilung an diesen Stellen bewusst manipuliert wurde, um die positiven Effekte des Mitfalls und somit des gesamten Projekts zu verbessern.

3 Gedanken zu „Von Ohnefällen und Mitfällen“

  1. Zur Haltestelle Schnelsen Süd:
    Diese Haltestelle wurde doch schon beim zweigleisigen Ausbau Eidelstedt – Bönningstedt eingeplant. Das ist jetzt 5 bis 6 Jahre her. Wenn die AKN die Bedienung lt. NahSh sowieso nicht leisten kann, war doch bestimmt die Planung für die S21 schon in der Schublade.
    Anders steht es hier, da ist die Planung schon im letzten Jahrzehnt vorangetrieben worden: http://www.nahverkehrhamburg.de/bau-der-geplanten-akn-station-schnelsen-sued-verzoegert-sich-1523/

    Zum Bahnhof Altona Nord:
    Für die Durchbindung der A1 gäbe es zwei Möglichkeiten:
    1. auf den Gleisen der S-Bahn, was wohl aus Kostengründen nicht gerne gesehen wird.
    2. auf einem Extragleis. Die AKN hat einmal ein Gleis bis Diebsteich und einen Ortsgüterbahnhof Stellingen besessen. Diese Gleise wurden vor langer Zeit bereits zurückgebaut und die Fläche dem Eisenbahnverkehr entwidmet. Somit wäre das Vorhaben ein Neubau mit allen Konsequenzen (Planung, Planfeststellung usw.) und dementsprechend nicht sehr günstig.

  2. zu Schnelsen-Süd:
    Wie schon geschrieben, ist diese Station seit bald 20 Jahren in der Schublade. Dass die AKN sie mit ihren Fahrzeugen fahrplanmäßig nicht realisieren konnte, war zuletzt Begründung für die Nicht-Realisierung. Allerdings durften die „alten“ VTE-Züge lediglich 80 km/h fahren. Der Plan musste entsprechend auch mit dieser Höchstgeschwindigkeit gemacht werden. Sowohl die neuen LINT als auch die verbleibenden VTA als auch die Strecke Quickborn Süd-Burgwedel sind für 100 km/h zugelassen. Schnelsen-Süd könnte mittlerweile möglich sein und würde dann (nachvollziehbar) wahrscheinlich auch ohne S21 gebaut, denn der Plan ist ja sogar älter als S21. Daran wäre nichts auszusetzen, oder?

  3. Moin,

    Nachtrag:
    Schnelsen-Süd ist seit 1999 planfestgestellt (steht so im S21-Antrag)!

    Zu Altona-Nord:
    Die DB plant in Altona-Nord nur ein S-Bahn-Kehrgleis ein, nördlich der Station. Hier soll bereits die S2 und/oder S4 wenden. Der AKN-Lokführer müsste außerdem zum Wenden den Führerstand wechseln. Für die S-Bahn ist pro Richtung weiter nur ein Gleis vorgesehen, über das alle Linien geführt werden sollen. Der Gedanke liegt sehr nahe, dass eine dauerhafte AKN-Durchfahrt im Berufsverkehr bis Altona-Nord bei diesem minimalistischen Ausbaustandard sehr schwierig bis nicht möglich ist.

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