Klima- und Umweltschutz als Chance verstehen

Selbst wer in den letzten Wochen und Monaten nicht die aktuelle Presse verfolgt hat, wird kaum um die Diskussionen zum Klimawandel herumgekommen sein. Zweifellos muss es das Ziel sein, unseren Kindern und Enkelkindern einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen. Dazu sind wohl zahlreiche Anstrengungen nötig und als eine Maßnahme von vielen ist die Abkehr von fossilen Rohstoffen hin zu erneuerbaren Energien in aller Munde.

Insbesondere die Politik in Schleswig-Holstein verkündet derzeit einen ökologischen Meilenstein nach dem nächsten. Seien es

  • allgemein mehr Investitionen in die Schiene (Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums vom 26.09.2019 und vom 07.10.2019),
  • die Förderung von Schleswig-Holstein als Wasserstoff-Standort (01.09.2019 und 11.10.2019) oder
  • die Anschaffung von 55 Triebwagen mit fortschrittlicher Akkutechnologie bis 2022 (15.10.2019).

„Na, geht doch!“, möchte man den Verantwortlichen zurufen. Noch besser wäre, wenn es denn wenigstens irgendeinen Einfluss auf die geplante S-Bahn nach Kaltenkirchen hätte. Aber das ist wohl leider nicht der Fall. Weiterhin wird mit der geplanten Oberleitung eine halbgare Lösung angestrebt, die technologisch rückständig, teuer und störanfällig ist sowie für massive Betroffenheiten entlang der gesamten Strecke sorgt. Außerdem sind die erhofften Projektvorteile für Pendler mittlerweile einzig auf die Umsteigefreiheit in Eidelstedt (für S21-Nutzer) zusammengeschrumpft. Relevante Fahrzeitgewinne oder zusätzliche Züge wird es – auch in Zukunft – nicht geben können.

Leider scheut man sich, das nötige Geld für einen sinnvollen und zukunftsorientierten Ausbau in die Hand zu nehmen. Für das geplante Projekt fallen nicht nur hohe Kosten für die Oberleitung an, es müssen zusätzlich knapp 40 neue Züge mit Zweistromtechnik angeschafft werden, die pro Stück rund eine Mio. Euro teurer sind als die Standard-S-Bahn-Züge für reinen Gleichstrombetrieb. Stromschiene und Oberleitung verursachen dabei etwa gleichhohe Herstellkosten. Würde man statt Oberleitung eine Gleichstromschiene verbauen, ließe sich das bei der Beschaffung der Züge eingesparte Geld von rund 40 Mio. Euro sinnvoll für begleitende Infrastrukturmaßnahmen verwenden, z. B. für die Beseitigung kritischer höhengleicher Bahnübergänge und Lärmschutzmaßnahmen für die durch Auto-, Zug- und Fluglärm geplagten Orte. Statt ehrlich, offen und gemeinsam mit allen Betroffenen um Lösungen zu ringen, wird über Köpfe hinweg entschieden und taktiert.

Ferner ist kaum nachvollziehbar, warum im Regionalverkehr nun schon in 2 Jahren Akkuzüge verkehren können, man im Hamburger Nahverkehr aber neben Stromschiene und Oberleitung andere Technologien scheut. Dabei kommt die S-Bahn Hamburg GmbH früher oder später wohl nicht um alternative Technologien herum. Und der 30 km lange Abschnitt von Kaltenkirchen bis HH-Eidelstedt, mit anschließender Gleichstromschiene im weiteren Hamburger Gebiet, bietet sich ganz hervorragend für neue Antriebsformen wie Wasserstoff- oder Akkutechnik an. Das eingesparte Geld für Bau und Instandhaltung der Oberleitung ist dann ebenso viel besser in Infrastruktur, Technik oder Lärmschutz investiert.
Auch wenn die explizit auf die Hamburger Eigenheiten zugeschnittenen Züge noch nicht existieren, so haben die Hersteller diese Technologien bereits im Portfolio und warten nur auf richtungsweisende Entscheidungen aus der Politik. Statt die Schleswig-Holsteiner „AKN Eisenbahn GmbH“ zu einem modernen Technologiezentrum auszubauen und Arbeitsplätze anzusiedeln, wird das Unternehmen mit dem Projekt jedoch seiner lukrativsten Strecke beraubt. Um nicht wertvolle Zeit mit langatmigen Planverfahren und Rechtstreitigkeiten zu vergeuden, wäre es endlich an der Zeit, zukunftsweisend und technologieoffen umzuplanen.

Wir wollen nicht ein im Grunde sinnvolles Projekt zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs mit juristischen Tricks verhindern (was leider viel zu häufig vorkommt). Vielmehr geht es uns darum, das eingesetzte Geld möglichst sinnvoll zu verwenden. Davon ist das das Projekt „Ausbau der Strecke Eidelstedt – Kaltenkirchen“ aber leider noch ein ganzes Stück entfernt.