Kleine Anfragen in Hamburg

Auch in Ham­burg scheint man mit­tler­weile auf die Unstim­migkeit­en beim Pro­jekt S21 aufmerk­sam gewor­den zu sein. Und so gab es in let­zter Zeit einige “Kleine Anfra­gen” an den Ham­burg­er Sen­at. Wer allerd­ings die Antworten der Schleswig-Hol­stein­er Lan­desregierung schon als knapp und auswe­ichend emp­fand, wird hier sich­er ins Staunen geraten.

thumbnail of standardisierte-bewertung-der-s21-nach-kaltenkirchenZunächst eine Anfrage von Her­rn Dr. Wieland Schin­nen­burg von der FDP. In dieser wird auf die durch uns in Auf­trag gegebene Studie zur Stan­dar­d­isierten Bew­er­tung der S21 Bezug genom­men. Fern­er wird nach Enteig­nun­gen und möglichen Alter­na­tiv­en gefragt. (Zum Lesen auf das Bild klicken.)

 

 

thumbnail of standardisierte-bewertung-der-s21-nach-kaltenkirchen-2Und weil die Antworten des Ham­burg­er Sen­ats so der­art unkonkret waren und einzelne Fra­gen sog­ar gän­zlich unbeant­wortet blieben, hat Herr Dr. Schin­nen­burg nochmal nachge­hakt. Allerd­ings wird dann klar deut­lich, dass man an ein­er ern­sthaften Beant­wor­tung der Fra­gen gar nicht inter­essiert ist.

Daraufhin haben wir Her­rn Dr. Schin­nen­burg eine Stel­lung­nahme zukom­men lassen, die wir hier auch gerne auszugsweise veröf­fentlichen möchten:

Ergänzung zu 1. bis 3.:
Die Angaben in ein­er Stan­dar­d­isierten Bew­er­tung sind tat­säch­lich üblicher­weise Durch­schnittswerte und in den meis­ten Fällen ist das auch so in Ord­nung und legit­im. In diesem Falle vertreten wir die Auf­fas­sung, dass die Durch­schnittswerte nicht angemessen sind.

Der Forderung, eine Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung durchzuführen, wurde zwar genüge getan. Aber die Forderung, eine kor­rek­te Bew­er­tung durchzuführen, ist unseres Eracht­ens nicht erfüllt.

Laut dem Haushalts­grund­sätzege­setz (HGrG), auf der die Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung basiert, heißt es in § 6 HGrG — Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Kosten- und Leistungsrechnung:

(1) Bei Auf­stel­lung und Aus­führung des Haushalt­s­plans sind die Grund­sätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.
(2) Für alle finanzwirk­samen Maß­nah­men sind angemessene Wirtschaftlichkeit­sun­ter­suchun­gen durchzuführen.“

Die iden­tis­chen Sätze find­en sich auch in „§ 7 — Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ der Ham­burg­er Lan­deshaushalt­sor­d­nung (LHO).

Wir bestre­it­en, dass die durchge­führte Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung „angemessen“ ist, da die darin enthal­te­nen Durch­schnittswerte das Pro­jekt ein­seit­ig bee­in­flussen und ohne großen Mehraufwand kor­rekt dargestellt wer­den könnten.

Ergänzung zu 7. (Druck­sache 21/5981):
Bevor die Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung in Auf­trag gegeben wurde, gab es eine Vorun­ter­suchung zum Pro­jekt (siehe „Zwis­chen­bericht Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung — Dez./2013“).

Darin wur­den 3 Vari­anten näher unter­sucht (siehe „Vari­anten S21 Vorun­ter­suchung“).

  • Vari­ante 1: lediglich Elektrifizierung
  • Vari­ante 3: Elek­tri­fizierung und kom­plet­ter zwei­gleisiger Ausbau
  • Vari­ante 3a: Elek­tri­fizierung und nur zwei­gleisiger Aus­bau Eidelstedt

Erstaunlicher­weise wurde die vom Kosten-Nutzen-Fak­tor gün­stigere Vari­ante 3a, die keinen zwei­gleisi­gen Aus­bau der Strecke zwis­chen Quick­born und Tanne­neck vor­sieht, ohne Angabe von Grün­den nicht weit­er ver­fol­gt. Stattdessen wurde für die teuer­ste Vari­ante 3 die Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung erstellt.

Die Strecke zwis­chen den 3 Bahn­höfen Quick­born-Eller­au-Tanne­neck kön­nte im län­geren Bere­ich (ca. 2,5 km) zwis­chen Quick­born und Eller­au prob­lem­los zwei­gleisig aus­ge­baut wer­den, da die Strecke über­wiegend durch unbe­wohntes Gelände (Ack­er­flächen) führt. Lediglich ein etwa 800 Meter langer Bere­ich zwis­chen den Bahn­höfen Eller­au und Tanne­neck ist eng bebaut und führt aktuell zu Wider­stand der Anwohn­er. Eine solche Vari­ante wurde offen­bar nie näher unter­sucht, würde vom Nutzen-Kosten-Fak­tor aber wahrschein­lich höher als die derzeit ver­fol­gte Vari­ante liegen.

 

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Und dann gab es noch eine weit­ere “Kleine Anfrage” von Her­rn Philipp Heißn­er von der Ham­burg­er CDU. Hier ging es um die Anschaf­fung der benötigten Züge, die kün­ftige Tak­tung und um den Bere­ich Hamburg-Eidelstedt.

Da auch hier die Antworten unseres Eracht­ens sehr ein­seit­ig aus­fie­len, haben wir Her­rn Heißn­er eben­falls eine Stel­lung­nahme zukom­men lassen. Ein Auszug daraus:

Ergänzung zu 1.:
Für die Anschaf­fung neuer Züge müssen im Rah­men des Pro­jek­ts etwa 100 Mil­lio­nen Euro investiert wer­den. (Quelle: Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung der Fir­ma INTRAPLAN Con­sult GmbH, Seite 42, 1. Absatz)

Ergänzung zu 2.:
Die Bahn­steige auf der derzeit­i­gen AKN-Trasse müssen für den Vol­lzugein­satz generell angepasst bzw. erweit­ert wer­den, sowohl hin­sichtlich Länge, als auch in der Höhe (Quelle: Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung der Fir­ma INTRAPLAN Con­sult GmbH, Seite 1, 3. Absatz). Daraus lässt sich ableit­en, dass Langzüge schlicht nicht möglich sind. Derzeit wer­den auf der Lin­ie S21 Langzüge einge­set­zt. Ob diese zukün­ftig nicht mehr erforder­lich und auf welchen Streck­en­ab­schnit­ten diese rel­e­vant sind, ist uns nicht bekan­nt. Fak­tisch ließen sich diese zukün­ftig, west­lich des Haupt­bahn­hofs, nur am Bahn­hof Elb­gaus­traße ein­set­zen, also im 20 Minu­ten­takt, allerd­ings nur außer­halb der Hauptverkehrszeit, da nur dann auch Züge der Lin­ie S21 dor­thin, bzw. von dort verkehren. (Quelle: Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung der Fir­ma INTRAPLAN Con­sult GmbH, Kapi­tel 4.1.1) Alter­na­tiv müssten die Züge östlich des Bahn­hofs Eidel­st­edt gestärkt bzw. geschwächt wer­den, was jedoch zu ein­er Fahrzeitver­längerung führen würde. Die Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung enthält hierzu allerd­ings keine Angaben.

Ergänzung zu 3.:
Eine Tak­ter­höhung erfol­gt in der Hauptverkehrszeit, im Abschnitt Eidel­st­edt — Quick­born und durch den Ein­satz der S32 im Abschnitt Eidel­st­edt — Hol­sten­straße — Hauptbahnhof.

Generell wird aber fest­gestellt, dass ein Schwächen/Verstärken der Züge, auf­grund der Fahrzeitver­längerun­gen beim Kop­peln, uner­wün­scht ist und Vol­lzug­fahrten im Bere­ich Quick­born — Kaltenkirchen man­gels Nach­frage unwirtschaftlich sind. (Quelle: Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung der Fir­ma INTRAPLAN Con­sult GmbH, Seite 47, let­zter Absatz)

Ergänzung zu 4.:
Das Fahrplanange­bot des Bahn­hofs Elb­gaus­traße wird dahinge­hend angepasst, dass 71 Fahrten­paare weniger zu diesem Bahn­hof verkehren, inkl. der Ver­stärkung durch die neue S32. (Quelle: Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung der Fir­ma INTRAPLAN Con­sult GmbH, Seite 23, Kapi­tel 4.1.1)

Zudem wird das Bus­netz in Eidel­st­edt und Schnelsen dahinge­hend angepasst, dass diverse Lin­ien nun nicht mehr den Bahn­hof Elb­gaus­traße ans­teuern, son­dern die Bahn­höfe Schnelsen, Schnelsen Süd (dieser neue Bahn­hof soll im Rah­men des Pro­jek­ts real­isiert wer­den), Hör­gensweg und Eidel­st­edt Zen­trum. Die Kon­se­quenz für die Bewohn­er aus dem west­lichen Bere­ich Eidel­st­edts und ins­beson­dere Lurups ist, dass die Fahrzeit­en sich im Zweifel nicht verkürzen, son­dern eher ver­längern wer­den. In Teilen ent­fall­en durch diese Maß­nahme auch einige Bussta­tio­nen voll­ständig. (Quelle: Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung der Fir­ma INTRAPLAN Con­sult GmbH, Seite 26, let­zter Absatz bis Seite 27, 1. Absatz)

Ergänzun­gen zu 7.:
Die an dieser Stelle erfol­gte Antwort ist uns neu. Fakt ist aber und dies wurde nur indi­rekt beant­wortet: aus dem Pro­jekt her­aus sind kein­er­lei Aufwen­dun­gen zur Gestal­tung oder Weit­er­en­twick­lung der Hal­testellen und deren Umge­bung auf der gesamten Lin­ie vorge­se­hen, trotz ein­er prog­nos­tizierten Steigerung  von 12.200 auf 23.900 (+11.700) Fahrgästen im Bere­ich zwis­chen Burg­wedel und Eidelstedt.

Allerd­ings han­delt es sich bei den 11.700 Per­so­n­en  nicht um Neukun­den des HVV, son­dern um die “Zwang­sumgeleit­eten” die bis­lang zur bzw. ab Elb­gaus­traße fuhren. (Quelle: Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung der Fir­ma INTRAPLAN Con­sult GmbH, Seite 31, Kapi­tel 4.2.2)

Zudem sollte auch nicht uner­wäh­nt bleiben, dass die neuen S‑Bahn-Fahrzeuge ET 490 zwar 18 Sitz- und 113 Steh­plätze mehr haben, als der LINT 54 der AKN. Allerd­ings 18 Sitz- und 6 Steh­plätze weniger sind, als beim ET 474, der derzeit im Ein­satz ist. (Quelle: Stan­dar­d­isierte Bew­er­tung der Fir­ma INTRAPLAN Con­sult GmbH, Seite 40, Tabelle 5–3)

Ergänzung zu 8.:
Mit Bezug auf die Ergänzun­gen zu 7. fall­en die Vorteile für Eidel­st­edt, nach unser­er Ein­schätzung, über­aus ger­ing aus. Anwohn­er, die angren­zend an die bish­erige AKN-Lin­ie leben, prof­i­tieren tat­säch­lich von ein­er umsteige­freien Fahrt zum Haupt­bahn­hof, wer­den aber mit über­füll­ten Bah­nen zu kämpfen haben, da sich die Ver­dop­pelung der Fahrgäste in weit­en Teilen vor allem in der Hauptverkehrszeit (HVZ) bemerk­bar machen wird. Eine Fahr- bzw. Reisezeitverkürzung hängt sehr stark von der eigentlichen Fahrtroute ab (Ist der Fahrgast von der Ver­legung der Bus­routen betrof­fen? Wo sind Start und Ziel der Fahrt? Liegt das Fahrtziel auf der Lin­ie S21 oder S3?). Nicht uner­wäh­nt lassen wollen wir aber, dass sich die ange­bliche Fahr- bzw. Reisezeitverkürzung aus der Tat­sache ergibt, dass im Ohne­fall (also unter der Voraus­set­zung, dass das Pro­jekt nicht real­isiert wird) bere­its die Hal­testelle Schnelsen Süd enthal­ten ist, obwohl es die Aus­sage gibt, dass diese Hal­testelle nur im Rah­men eines solchen Pro­jek­ts real­isiert wer­den kann. (Quelle: Home­page der NAH.SH, 5. Frage/Antwort)

Ein Ver­gle­ich mit den tat­säch­lichen heuti­gen Fahrzeit­en (Fahrplanauskun­ft auf hvv.de) ergibt, dass Fahrgäste aus Rich­tung Nor­den, die in Eidel­st­edt in die S3 wech­seln, eine erhe­bliche Ver­längerung der Wartezeit am Bahn­hof Eidel­st­edt haben wer­den (statt bis­lang 2 Minuten nun etwa 6 bis 7 Minuten).

Aus unser­er Sicht ist es erschreck­end, dass nicht nur wir “ein­fachen Bürg­er”, son­dern selb­st Poli­tik­er der­art auswe­ichende und ein­seit­ige Antworten erhal­ten. “Lass mich bloß in Ruhe mit kri­tis­chen Nach­fra­gen!”, scheint das Mot­to zu sein. Dass somit das Ver­trauen in das Pro­jekt weit­er geschmälert und das Anse­hen der Poli­tik noch mehr beschädigt wird, scheint den Ver­ant­wortlichen dabei völ­lig egal zu sein. Pres­tige und Wirtschaftsin­ter­essen ste­hen bürg­er­na­her Poli­tik wohl unvere­in­bar gegenüber.

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